WALTER BOJE –

FEUILLETONIST
MIT DER KAMERA

PROF. DR. WALTER BOJE …

 

… würde am 16. November 2017 112 Jahre alt.

Er ist Berliner, studierter Nationalökonom, ab 1939 Generalsekretär der Deutschen Akademie der Luftfahrtforschung. Eröffnet nach dem Krieg eine Fotokopieranstalt, fertigt Paßbilder von Kindern, Bauern und Russen gegen Brot, Butter und Speck. Als Nicht-Innungsangehöriger denunziert, macht er sich mit dem Fahrrad nach Hamburg auf.

 

„Ich kam zur Fotografie durch meinen Vater, als ‚ernster Foto-Amateur‘, machte Abbilder ohne spezifisch Eigenes. Ich hatte ja nur Technik, noch nicht ‚Sehen‘ gelernt. Wichtig: Klar und eindeutig zu ‚formulieren‘. Mein Lehrmeister: Das Buch Leicatechnik von Emmermann. Theaterfotografie: In Hamburg erste Bühnenfotos – Geistiges durch Körperliches verständlich machen, Realität in ein Bild transponieren. Farbfotografie: Der Bazillus der nicht-konservativen Farbfotografie saß mir im Blut. Ich experimentierte und experimentierte. Am liebsten am Sujet ‚Ballett‘. Später gemeinsam mit Freunden, vor allen anderen mit Horst H. Baumann, Kilian Breier, Peter Cornelius, Fritz Fenzl, Erwin Fieger und Heinz Hajek-Halke.“

 

Gemeinsame Ausstellung auf Initiative L. Fritz Grubers zur photokina 1960 „Magie der Farbe“. Auf der Biennale mit einer Goldmedaille ausgezeichnet.

 

Bücher: „Magie der Farbenphotographie“, „Revolution im Unsichtbaren“ (1962)

„Mut zur Farbe“ (1963) uva.

 

Lehrtätigkeit: Deutsches Institut für Publizistische Bildungsarbeit, Düsseldorf,

Universität München, Deutsche Journalistenschule, München.

 

Vorträge und Ausstellungen: Österreich, Schweiz, Norwegen, Schweden, Holland Belgien, Jugoslawien, Rumänien, Ungarn, Luxemburg, Frankreich, Italien, England, USA, Kanada. Auf diesen Reisen vertieft er sein Photographisches Oeuvre.

 

GDL (Gesellschaft deutscher Lichtbildner) (lange Jahre 1. Vorsitzender)

 

DGPh (Deutsche Gesellschaft für Photographie) Vorstandsmitglied und langjähriger Leiter Sektion Bild, Ehrenmitglied.

 

1989 Verleihung der Professorenwürde des Landes Nord-Rhein-Westfalen.

 

Walter Boje starb im Juli 1992 in Leichlingen bei Köln.

„Ballett ist mehr als tänzerische Pose. In welcher Verkleidung auch immer es auftritt, es ist Spiegelbild des Menschen mit seinen Sehnsüchten, Erfüllungen und Enttäuschungen. Dieses Mehr hat mich gereizt. Bei freiem Umgang mit Farbe und Form habe ich versucht, es mit fotografischen Mitteln in die Sprache des Bildes zu übersetzen.“

„Farben sind Musik gewordenes Licht.“

„..Die Möglichkeit, die flüchtigste aller Künste, die Kunst des Schauspielers und Tänzers, in gültigen Bildern festzuhalten. Die Gabe, andere Menschen dadurch glücklicher zu machen, daß man ihnen durch Bild, Wort und Schrift die Augen öffnet für diese Welt in der wir leben, für ihre schönen und ihre häßlichen Erscheinungen. Sehen lernen und Sehen lehren... das war das Schönste.“

MAGIE VON FARBE UND BEWEGUNG

 

Dem Photographen Walter Boje zum 100. Geburtstag / Ausstellung des deutschen Tanzarchivs Köln/SK Stiftung Kultur, Im Mediapark 7, 50670 Köln

> www.sk-kultur.de/tanz/boje/index.html

 

Buchtipp:

Walter Boje GEBURTSTAG

Edition Dino Simonett

ISBN 3-905562-20-0

Bestellung per E-Mail: > simonett@simonett.com

PRESSETEXTE ZUR AUSSTELLUNG (klicken, ausklappen)

  • FAZ vom 22.03.2005 / Flugschau mit der Kamera: Ballettfotografien von Walter Boje in Köln

    Die rasche Drehung bauscht den Stoff, rauchblau und körperlos verschweben die Tanzkleider in der Bewegung. Die Kamera hat vieles ungeklärt gelassen: Wo die weich konturierten Trikots und Rocksäume auf Schwarz treffen, da muß der Bühnenboden sein, und die Helligkeit der Scheinwerfer streift die schnellen Körper kaum, im überhellen Rosa ist die Erinnerung an Haut schon fast fortgewischt. Allein wer vor der Fotografie einen Schritt zurücktritt, erkennt noch den veilchenfarbenen Reigen.

    Wenn Walter Boje Ballett fotografiert, dann verzichtet er ganz entschieden darauf, die Perspektive der Zuschauerplätze zu dokumentieren, seine Aufnahmewinkel scheinen von jedem Standort gelöst. Diese Nähe und Dichte bietet kein Proszenium und kein Logenplatz: Manchmal scheint die Kamera mit den Solisten zu fliegen, und nur selten fokussiert sie auf deren Posen und Gesten, die Vielfältigkeit und die Schnelligkeit der Choreographie ziehen sie an. Vor allem die Farbe ist Bojes Instrument - die bunte Garderobe und das Bühnenlicht lösen sich in fast abstrakte Flächen auf, deren Dynamik und Leuchtkraft die Bewegungen der Bühne reflektiert.

    Eine Ausstellung des Deutschen Tanzarchivs in der Kölner SK-Stiftung ehrt den vor hundert Jahren geborenen Walter Boje und stellt auch das Werk des gleichaltrigen Siegfried Enkelmann vor (in einer Gegenüberstellung mit Tanzfotografien von Gert Weigelt). Die Doppelschau muß vom gemeinsamen Jubiläum angeregt worden sein - denn außer einer Leidenschaft für Ballett und Tanz scheint die beiden Jubilare nichts zu verbinden. Während Gert Enkelmann, ein führender Tanzfotograf seit den vierziger Jahren, in strengem Schwarzweiß perfekte Positionen in der abgeschiedenen Ruhe des Studios inszeniert, begeistert sich Walter Boje für das Ballett als Bühnengeschehen.

    Aus Leidenschaft für beides, Theater und Fotografie, wurde der in Berlin geborene Boje nach dem Krieg in Hamburg zum Chronisten der Bühne. Von Anfang an begeisterte sich der Autodidakt für die Technik der Farbfotografie, und als er für die Agfa in Leverkusen arbeitet, verfolgt er den Aufbruch des Kölner Balletts unter Aurel von Milloss. Der interessiert sich nicht nur für seine Choreographien, sondern versteht die Musik als zugrundeliegenden Bauplan eines Stücks und wertet die Bühne in enger Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern auf. „Ballett ist mehr als tänzerische Pose“, erkennt Walter Boje, der 1992 verstarb. Seine Fotografien haben diese modernen Visionen kongenial konserviert.

    Es hat Charme, daß die Kuratoren die leicht verschlissene Farbigkeit der Originalfotografien lose und ungerahmt, nur von Plexiglas geschützt, auf schwarzgrundierte Wände gehängt haben. Die Serien zeigen sich in elegantem Rhythmus – auch weil Walter Boje die Dynamik der Bildaufteilung mit eigenhändig geschnittenen Passepartouts noch steigerte. Wo der Tänzer sich lang macht, folgt ihm der Fotograf mit einem extremen Hochformat, das sich als schmaler Streifen über die gesamte Blatthöhe streckt, die Sprünge und Wirbel der Ballerinen rückt er so an den Rand des Kartons, daß sie auf dem verbleibenden Cremeweiß auslaufen könnten. Walter Bojes Bild-Inszenierungen schenken dem in der Fotografie in Stillstand und Stille erstarrten Tanz expressive Momente, die zu Metaphern des Verlorenen werden. CATRIN LORCH

  • Artikel aus „DGPh intern“ vom Dezember 2004

    Dr. Walter Boje, einer der herausragendsten Persönlichkeiten der Photographie, insbesondere als Wegbereiter der gestaltenden Farbphotographie, würde am 16. November 2005 100 Jahre alt. Aus diesem Anlass findet vom 27. Januar bis 17. April im Deutschen Tanzarchiv/SK Stiftung Kultur im Kölner Mediapark eine Ausstellung „Magie von Farbe und Bewegung – dem Photographen Walter Boje zum 100. Geburtstag“ statt. Boje war für die deutsche Photoszene ein Mentor, Anreger und Streiter voller Vitalität und Innovationskraft. Am 17. April 1956 in die DGPh berufen arbeitete er zwischen 1964 und 1980 mit Unterbrechungen insgesamt 12 Jahre lang in dessen Vorstand mit. Boje war außerdem Vorsitzender, später Ehrenpräsident der ehemaligen Gesellschaft Deutscher Lichtbildner (GDL) und Mitglied des Bundes freischaffender Fotodesigner (BFF). Am 22. November 1973 hat die Deutsche Gesellschaft für Photographie Dr. Walter Boje zu ihrem Ehrenmitglied ernannt, 1985 erhielt er die „Goldene Ehrennadel" der DGPh. 1988 verlieh das Land Nordrhein-Westfalen ihm den Professorentitel.In den Wirren der Nachkriegszeit übersiedelte der studierte Diplom-Volkswirt Walter Boje aus der Nähe von Berlin nach Hamburg, wo er sich als freier Bildjournalist mit Schwerpunkt Theater- und Ballettphotographie betätigte. Von 1954 bis 1969 war er für die Agfa-Gevaert in deren Phototechnischer Zentrale tätig und hielt Vorträge im In- und Ausland. Seine große Liebe aber galt der Theaterphotographie. In der Zeitschrift Leica Fotografie, Nr. 6/1977 schrieb er: „Wenn ich heute meine photographische Laufbahn rückschauend betrachte, so hat mich dreierlei glücklich gemacht: Die Möglichkeit, die flüchtigste aller Künste, die Kunst des Schauspielers und Tänzers, in gültigen Bildern festzuhalten, zum  anderen die Gabe, andere Menschen dadurch zu erfreuen und weiterzubringen, dass ich ihnen durch Wort, Bild und Schrift die Augen öffnen konnte für diese Welt, und drittens, einiges dazu beigetragen zu haben, die Farbphotographie aus den engen Fesseln der nur reproduktiv abbildenden Arbeitsweise zu befreien.“ Dr. Walter Boje verstarb am 20. Juli 1992 im Alter von 86 Jahren.

  • Frankfurter Rundschau vom 07.04.2005

    So muß ein Bolero sein: ein Wirbel aus rot und schwarz, eine Energie, die aus Geschwindigkeit entsteht, dahinter eine Ahnung von Körpern und ihrer Kraft. So hat Walter Boje 1958 Bolero fotografiert, eine Ballettaufführung an der Kölner Oper. Und auf seinem Abbild des Ereignisses ist nicht mal mehr zweit-, eher dritt- oder viertrangig, was lange Jahre die Tanzfotografie prägte: das Können des Tänzers ins rechte Licht zu rücken, seinen Körper, seine Technik in einer vorteilhaften Pose zu fixieren. Denn auf Bojes Bild muß man die festen Formen suchen, die präzise Setzung der Spitzenschuhe erahnen. Die Solistin im Auge des Wirbels erinnert – nicht nur, weil sie einen spitzen Hut aufhat – an einen Kreisel, ihre Arme sind Schlieren aus Farbe.

     

    Walter Boje, der in diesem Jahr (am 16. November) 100 geworden wäre und deswegen mit einem Buch sowie einer Ausstellung beim Deutschen Tanzarchiv in Köln mit einer Ausstellung geehrt wird, hat nicht nur Tanz und Theateraufführungen fotografiert – im Buch sind sie deutlich in der Minderheit, aber er hat sie auf eine Weise abgebildet, die neu war, weil sie sich um das Wesen eines Stückes weit mehr bemühte als um den einzelnen Darsteller. Bojes Ästhetik der verwischten Körper ist – allerdings mit Verspätung – zum Tanzfotografie-Trend geworden.

     

    … Boje gab der Bewegung die Zügel frei, im neu entstandenen Color Negativ-Positiv-Verfahren, so daß die Farbe zu tanzen beginnen konnte.

     

    Auf anderen Bildern, Akten vor allem, geht ein Schimmer von ihr aus, das die Haut zu einem ganz besonderen Stoff macht. Gern rückt er die Modelle aus dem Focus, auch sie werden damit zu purer Farb-Form. Oder er setzt ihnen groteske Masken auf – unverkennbar hat ihn da der expressionistische Tanz beeinflußt, der Emotionen und Charaktereigenschaften Gestalt gab, indem er sie übertrieb und zur Kenntlichkeit verzerrte. … Walter Boje hat dem deutschen Ausdruckstänzer Harald Kreutzberg mit einem typischen Accessoire fotografiert: indem er ihm ein dämonisch-glubschäugiges Zweitgesicht in die Hand gab.

     

    Gesichter müssen Boje … neben Theater und Tanz besonders fasziniert haben. … Er war Autodidakt, hat aber offenbar früh ein Bewußtsein für neue Techniken, aber auch für Bildaufbau, für die Bedeutung des Ausschnitts entwickelt, so wie er den von ihm Porträtierten nahe rückte. Bei Clown Grock kann man jede Falte nachzählen, das Gesicht von dem Schauspieler Ernst Deutsch ist eine schwarz-weiße Krater- und Schlachtenlandschaft. Bei den Frauen ist Boje galanter – wenn er ihnen nicht gerade eine Maske aufsetzt, leuchtet er sie so aus, daß die Haut fast makellos wirkt.

     

    Eigentlich aber war Boje, der 1992 starb, als Fotograf Allrounder, gab durch seine Arbeiten Anregungen für mehr als einen Trend, wie ein gerade erschienener, schlicht „Geburtstag“ betitelter Band zeigt. Natürlich fotografierte er seine Familie, wie sie traut 1948 auf den Adventskranz blickt, drei Gesichter sanft bestrahlt vom Kerzenschein. Er zeigt bröckelnde Fassaden, einen Steinesammler mit seinem Pferd, Lehrling und Schlosser bei der Arbeit, letztere ganz traditionell und gediegen in Schwarz-Weiß. Aber so, wie des Steinesammlers Ausbeute auf den Boden purzelt und auf dem Schlosser-Bild die Funken sprühen, kommt dann doch das Thema Bewegung durch die Hintertür wieder herein.

     

    Sehr charmant auch bei einer Aufnahme von einem Paar in einer Drehtür – das heißt, eigentlich sind es zwei Drehtüren, die Frau hat die eine genommen, der Mann die andere, aber in völligem Einklang setzen beide im Moment, als Boje auf den Auslöser drückt, den rechten Fuß nach vorne, der rechte Arm schwingt jeweils mit und dabei lächeln sie sich zu, wie ein Paar es auf der Bühne nicht schöner könnte. SYLVIA STAUDE

Alle Fotos: © Walter Boje Erben.

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